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Europäischer Gerichtshof: Artikel 93(1-bis) der italienischen Straßenverkehrsordnung verstößt gegen europäisches Recht

Europäischer Gerichtshof: Artikel 93(1-bis) der italienischen Straßenverkehrsordnung verstößt gegen europäisches Recht.

Causa: C274/20

Art. 63 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die es jeder Person, die seit mehr als 60 Tagen ihren Wohnsitz in diesem Mitgliedstaat hat, verbietet, in diesem, mit einem in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Kraftfahrzeug zu fahren, unabhängig davon, auf welchen Namen dieses Fahrzeug zugelassen ist, ohne die Dauer der Nutzung des Fahrzeugs im erstgenannten Mitgliedstaat zu berücksichtigen und ohne dass die betroffene Person ein Recht auf Befreiung geltend machen kann, wenn dieses Fahrzeug weder dazu bestimmt ist, im Wesentlichen dauerhaft im erstgenannten Mitgliedstaat benutzt zu werden, noch tatsächlich so benutzt wird.

Art. 93 Abs. 1-a des Decreto legislativo Nr. 285 – Nuovo codice della strada (Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 285 betreffend das neue Straßenverkehrsgesetzbuch) vom 30. April 1992 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 114 vom 18. Mai 1992) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung sieht vor:

„Unbeschadet des Abs. 1-b ist es jedem, der seit mehr als 60 Tagen seinen Wohnsitz in Italien hat, untersagt, mit einem im Ausland zugelassenen Fahrzeug zu fahren.“

Ein Verstoß gegen Art. 93 Abs. 1-a des Straßenverkehrsgesetzbuchs wird mit einer Geldbuße von 712 Euro bis 2848 Euro geahndet. Außerdem wird das Fahrzeug auf der Stelle beschlagnahmt.

Einzige Ausnahme des Verbots wird in § 93 Abs. 1-b des Straßenverkehrsgesetzbuchs bestimmt:

„Wird das Fahrzeug von einem Unternehmen, das in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes gegründet wurde und in Italien keine Zweigniederlassung und keinen anderen tatsächlichen Sitz hat, durch Leasing oder Miete ohne Fahrer zur Verfügung gestellt, oder wird es durch Leihe einer Person mit Wohnsitz in Italien zur Verfügung gestellt, die durch ein Arbeitsverhältnis oder ein Verhältnis der Zusammenarbeit mit einem Unternehmen verbunden ist, das in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem zum Europäischen Wirtschaftsraum gehörenden Staat gegründet wurde und in Italien keine Zweigniederlassung oder anderen tatsächlichen Sitz hat, muss im Fahrzeug unter Beachtung der Bestimmungen des Zollkodex der Gemeinschaft ein Dokument mitgeführt werden, das von der Person, auf deren Namen das Fahrzeug zugelassen ist, unterzeichnet und mit beglaubigter Datierung versehen ist und aus dem der Rechtsgrund und die Dauer der Zurverfügungstellung des Fahrzeugs hervorgehen. Fehlt ein solches Dokument, wird angenommen, dass der Fahrer über das Fahrzeug verfügt.“

Dank dieses Gesetzes hat der italienische Staat große Summen von ahnungslosen Autofahrern eingenommen. Die Geschädigten dieses europarechtswidrigen Gesetzes sollten Anspruch auf eine Entschädigung seitens  des Staates haben, die sowohl die zu Unrecht gezahlte Geldbuße, als auch den durch die Beschlagnahmung des Fahrzeugs entstandenen Schaden umfasst (verwaltungsrechtliche Stilllegung).

Im Folgenden wird das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 16. Dezember 2021 wiedergegeben, das über eine vom Giudice di Pace di Massa zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen entschieden hat:

Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 18, 21, 26, 45, 49 bis 55 und 56 bis 62 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Bestimmung entgegenstehen, die es jeder Person, die seit mehr als 60 Tagen ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat, verbietet, in diesem mit einem in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Kraftfahrzeug zu fahren, und zwar unabhängig davon, auf welchen Namen dieses Fahrzeug zugelassen ist.

 

Dazu ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof, selbst wenn die Fragen des vorlegenden Gerichts der Form nach die Auslegung der Art. 18, 21, 26, 45, 49 bis 55 und 56 bis 62 AEUV betreffen, nicht daran gehindert ist, dem vorlegenden Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die ihm bei der Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens von Nutzen sein können, und zwar unabhängig davon, ob es bei seiner Fragestellung darauf Bezug genommen hat (vgl. u. a. Urteil vom 29. Oktober 2015, Nagy, C‑583/14, EU:C:2015:737, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

So hat der Gerichtshof zu einer zwischen in verschiedenen Mitgliedstaaten wohnhaften Bürgern vereinbarten Leihe bereits entschieden, dass es sich beim grenzüberschreitenden unentgeltlichen Verleih eines Kraftfahrzeugs um Kapitalverkehr im Sinne von Art. 63 AEUV handelt (Urteil vom 29. Oktober 2015, Nagy, C‑583/14, EU:C:2015:737, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

Da Art. 63 AEUV anwendbar ist und besondere Diskriminierungsverbote vorsieht, findet Art. 18 AEUV keine Anwendung (Urteil vom 29. Oktober 2015, Nagy, C‑583/14, EU:C:2015:737, Rn. 24).

 

Im Übrigen sind die Art. 49 bis 55 AEUV, die Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit verbieten, im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits nicht einschlägig, da dieser Rechtsstreit nach den Angaben des vorlegenden Gerichts weder den Zugang zu noch die Ausübung von selbständigen Tätigkeiten betrifft.

 

In der Gerichtshof vorliegenden Akte lässt sich kein Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen dem Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und der in den Art. 56 bis 62 AEUV vorgesehenen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs entnehmen; deshalb erscheint auch deren Auslegung für die Entscheidung dieses Rechtsstreits nicht erheblich.

 

Außerdem enthält die Vorlageentscheidung keinen Anhaltspunkt für einen Zusammenhang zwischen diesem Sachverhalt und der Ausübung der in Art. 45 AEUV vorgesehenen Arbeitnehmerfreizügigkeit.

 

Da Art. 26 AEUV schließlich vorsieht, dass der Binnenmarkt einen Raum ohne Binnengrenzen umfasst, in dem u. a. der freie Verkehr von Kapital gemäß den Bestimmungen der Verträge gewährleistet ist, und da Art. 63 AEUV anwendbar ist, findet Art. 26 AEUV keine Anwendung.

 

Der Ausgangsrechtsstreit betrifft das Verleihen eines Kraftfahrzeugs durch eine in einem Mitgliedstaat wohnhafte Person an eine in einem anderen Mitgliedstaat wohnhafte Person; deshalb sind die Vorlagefragen zunächst im Licht von Art. 63 AEUV und anschließend gegebenenfalls im Hinblick auf Art. 21 AEUV zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Oktober 2015, Nagy, C‑583/14, EU:C:2015:737, Rn. 25).

 

Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, sind daher die Vorlagefragen umzuformulieren und es ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht wissen möchte, ob die Art. 21 und 63 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die es jeder Person, die seit mehr als 60 Tagen ihren Wohnsitz in diesem Mitgliedstaat hat, verbietet, in diesem mit einem in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Kraftfahrzeug zu fahren, unabhängig davon, auf welchen Namen dieses Fahrzeug zugelassen ist.

Zum Vorliegen einer Beschränkung

Maßnahmen eines Mitgliedstaats stellen Beschränkungen im Sinne von Art. 63 Abs. 1 AEUV dar, wenn sie geeignet sind, die Gebietsansässigen davon abzuhalten, in einem anderen Mitgliedstaat Darlehen aufzunehmen (vgl. u. a. Urteil vom 29. Oktober 2015, Nagy, C‑583/14, EU:C:2015:737, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

Nach Art. 93 Abs. 1-a des Straßenverkehrsgesetzbuchs ist es jedem, der seit mehr als 60 Tagen seinen Wohnsitz in Italien hat, untersagt, mit einem im Ausland zugelassenen Fahrzeug zu fahren.

 

Folglich muss eine Person, die seit mehr als 60 Tagen in Italien wohnt, wie GN, die über ein in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenes Kraftfahrzeug verfügt und mit diesem in Italien fahren möchte, dieses in diesem Mitgliedstaat zulassen, was, wie das vorlegende Gericht ausführt, die Zahlung von Gebühren und Abgaben sowie die Erfüllung komplexer Verwaltungsformalitäten umfasst.

 

Da das Wesentliche einer Leihe die Möglichkeit ist, die geliehenen Sachen zu benutzen, ist aber festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung dadurch, dass Personen, die seit mehr als 60 Tagen in Italien ihren Wohnsitz haben, bei der Benutzung eines in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Fahrzeugs auf dem italienischen Straßennetz auch dann zur Zahlung einer Steuer verpflichtet werden, wenn das Fahrzeug unentgeltlich von einem Einwohner eines anderen Mitgliedstaats verliehen wurde, dazu führt, dass der grenzüberschreitende unentgeltliche Verleih von Kraftfahrzeugen besteuert wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. April 2012, van Putten, C‑578/10 bis C‑580/10, EU:C:2012:246, Rn. 39). Der unentgeltliche Verleih eines in Italien zugelassenen Fahrzeugs unterliegt dagegen nicht dieser Steuer.

 

Eine solche Ungleichbehandlung, die danach unterscheidet, in welchem Staat das geliehene Fahrzeug zugelassen ist, kann die Einwohner Italiens davon abhalten, den ihnen von Einwohnern eines anderen Mitgliedstaats angebotenen Verleih eines dort zugelassenen Kraftfahrzeugs anzunehmen (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 10. September 2020, Wallonische Region [Zulassung eines geliehenen Fahrzeugs], C‑41/20 bis C‑43/20, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:703, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

Daher stellt die in Rn. 24 des vorliegenden Urteils angeführte nationale Regelung, da sie geeignet ist, die Einwohner Italiens davon abzuhalten, in anderen Mitgliedstaaten Darlehen aufzunehmen, eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs im Sinne von Art. 63 Abs. 1 AEUV dar (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. April 2012, van Putten, C‑578/10 bis C‑580/10, EU:C:2012:246, Rn. 40 und 41).

Zur Rechtfertigung der Beschränkung

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kann eine Beschränkung einer der durch den AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten nur zulässig sein, wenn mit ihr ein berechtigtes und mit diesem Vertrag zu vereinbarendes Ziel verfolgt wird und sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. In einem solchen Fall muss aber die Anwendung einer solchen Maßnahme auch geeignet sein, die Verwirklichung des verfolgten Zwecks zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zu seiner Erreichung erforderlich ist (vgl. u. a. Urteil vom 29. Oktober 2015, Nagy, C‑583/14, EU:C:2015:737, Rn. 31, und Beschluss vom 23. September 2021, Wallonische Region [Zulassung eines Fahrzeugs einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit], C‑23/21, nicht veröffentlicht, EU:C:2021:770, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

Die italienische Regierung macht im Wesentlichen geltend, das Ziel der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung bestehe darin, zu verhindern, dass in Italien wohnhafte und arbeitende Personen durch die regelmäßige Nutzung von im Ausland zugelassenen Fahrzeugen unerlaubte Handlungen wie die Nichtentrichtung von Steuern, Abgaben und Mautgebühren begehen, Sanktionen entkommen und vorteilhaftere Versicherungsprämien in Anspruch nehmen könnten, aber auch zu verhindern, dass die Identifizierung der Personen, die diese Fahrzeuge tatsächlich führen, für die mit der Durchführung von Kontrollen betrauten Polizeikräfte erschwert oder sogar unmöglich gemacht werde.

 

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof insbesondere in Bezug auf das Ziel der Bekämpfung von Steuerbetrug in den Bereichen der Zulassungssteuer und der Kraftfahrzeugsteuer bereits festgestellt hat, dass ein Mitgliedstaat ein Kraftfahrzeug, das in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen ist, mit einer Zulassungssteuer belegen kann, wenn dieses Kraftfahrzeug im Gebiet des erstgenannten Mitgliedstaats im Wesentlichen dauerhaft benutzt werden soll oder tatsächlich so benutzt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. April 2012, van Putten, C‑578/10 bis C‑580/10, EU:C:2012:246, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

Sind dagegen diese Bedingungen nicht erfüllt, ist die Bindung des im anderen Mitgliedstaat zugelassenen Fahrzeugs an den erstgenannten Mitgliedstaat schwächer, so dass eine weitere Rechtfertigung der fraglichen Beschränkung erforderlich ist (Urteil vom 26. April 2012, van Putten, C‑578/10 bis C‑580/10, EU:C:2012:246, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, die Dauer des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verleihs und die Art der tatsächlichen Verwendung der ausgeliehenen Fahrzeuge zu beurteilen (Urteil vom 26. April 2012, van Putten, C‑578/10 bis C‑580/10, EU:C:2012:246, Rn. 49).

 

Im Übrigen ergibt sich in Bezug auf das Ziel der Verhinderung von Missbrauch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass zwar die missbräuchliche oder betrügerische Berufung auf Unionsrecht nicht gestattet ist, dass aber eine allgemeine Missbrauchsvermutung nicht darauf gestützt werden kann, dass eine Person mit Wohnsitz in Italien in diesem Mitgliedstaat ein Fahrzeug nutzt, das in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen und ihr von einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Person unentgeltlich geliehen wurde (Beschluss vom 10. September 2020, Wallonische Region [Zulassung eines geliehenen Fahrzeugs], C‑41/20 bis C‑43/20, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:703, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

Zu der von der italienischen Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen angeführten Rechtfertigung im Zusammenhang mit dem Erfordernis der Wirksamkeit von Verkehrskontrollen ist festzustellen, dass nicht ersichtlich ist, aus welchen Gründen die Identifizierung von Personen, die im Ausland zugelassene Fahrzeuge tatsächlich fahren, für die mit der Durchführung von Kontrollen betrauten Polizeikräfte erschwert oder sogar unmöglich gemacht würde.

 

Was ferner das Ziel angeht, den betreffenden Fahrer keine vorteilhafteren Versicherungsprämien in Anspruch nehmen zu lassen, auf das diese Regierung hingewiesen hat, so ergibt sich weder aus der Vorlageentscheidung noch aus den schriftlichen Erklärungen dieser Regierung, inwiefern dieses Ziel ein legitimes Ziel darstellt, das mit dem AEU-Vertrag vereinbar ist, und im Einklang mit der in Rn. 31 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein soll. Insoweit ist aber darauf hinzuweisen, dass es Sache des Mitgliedstaats ist, der einen Rechtfertigungsgrund für eine Beschränkung einer der durch diesen Vertrag garantierten Grundfreiheiten geltend macht, konkret darzutun, dass ein Grund des Allgemeininteresses vorliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Mai 2003, ATRAL, C‑14/02, EU:C:2003:265, Rn. 69).

 

Schließlich kann nach ständiger Rechtsprechung die Verringerung von Steuereinnahmen nicht als zwingender Grund des Allgemeininteresses betrachtet werden, der zur Rechtfertigung einer grundsätzlich gegen eine Grundfreiheit verstoßenden Maßnahme angeführt werden kann (vgl. u. a. Urteile vom 7. September 2004, Manninen, C‑319/02, EU:C:2004:484, Rn. 49; vom 22. November 2018, Sofina u. a., C‑575/17, EU:C:2018:943, Rn. 61, sowie Beschluss vom 10. September 2020, Wallonische Region [Zulassung eines geliehenen Fahrzeugs], C‑41/20 bis C‑43/20, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:703, Rn. 55).

 

Folglich ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 63 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die es jeder Person, die seit mehr als 60 Tagen ihren Wohnsitz in diesem Mitgliedstaat hat, verbietet, in diesem mit einem in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Kraftfahrzeug zu fahren, unabhängig davon, auf welchen Namen dieses Fahrzeug zugelassen ist, ohne die Dauer der Nutzung des Fahrzeugs im erstgenannten Mitgliedstaat zu berücksichtigen und ohne dass die betroffene Person ein Recht auf Befreiung geltend machen kann, wenn dieses Fahrzeug weder dazu bestimmt ist, im Wesentlichen dauerhaft im erstgenannten Mitgliedstaat benutzt zu werden, noch tatsächlich so benutzt wird.

 

Unter diesen Umständen ist es nicht erforderlich, zur Auslegung von Art. 21 AEUV Stellung zu nehmen.

Kosten

Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 63 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die es jeder Person, die seit mehr als 60 Tagen ihren Wohnsitz in diesem Mitgliedstaat hat, verbietet, in diesem mit einem in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Kraftfahrzeug zu fahren, unabhängig davon, auf welchen Namen dieses Fahrzeug zugelassen ist, ohne die Dauer der Nutzung des Fahrzeugs im erstgenannten Mitgliedstaat zu berücksichtigen und ohne dass die betroffene Person ein Recht auf Befreiung geltend machen kann, wenn dieses Fahrzeug weder dazu bestimmt ist, im Wesentlichen dauerhaft im erstgenannten Mitgliedstaat benutzt zu werden, noch tatsächlich so benutzt wird.

Die europäischen Richter haben schließlich die Zweifel an der Vereinbarkeit des in Artikel 93 Absatz 1-bis der GGV enthaltenen Verbots mit dem Recht der Europäischen Union bestätigt. Der Friedensrichter in Massa wird nun in der Lage sein, den Fall nach den vom Gericht erlangten Klarstellungen, zu entscheiden.

Die Kernfrage bleibt jedoch offen. Wie lange wird es dauern, bis der italienische Gesetzgeber seine Rechtsvorschriften an das europäische Recht anpasst? Wie viele andere Fahrer werden durch diese ungerechte Vorschrift verfolgt werden?